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Abschiedsspektrum eines Weissen Zwergen

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Moderator: mkeiser

Abschiedsspektrum eines Weissen Zwergen

Beitragvon Richard Walker » 08.12.2013 20:43

Hallo zusammen

Van Maanen 2, ist ein Weisser Zwerg im Sternbild Fische, mit der sehr späten Spektralklasse DZ8. Er hat die ganze, extrem heisse DA-Sequenz mit den stark druckverbreiterten Wasserstofflinien, bereits hinter sich gebracht und ist nun bis auf ca. 6200K abgekühlt. Das Objekt ist nur noch eine Sternleiche, weil die Kernfusion im Innern längst zum Erliegen gekommen ist. Nur noch die Restwärme verhilft ihm zu seiner wohl letzten Spektralklassierung DZ8, bevor der Weisse Zwerg für immer aus dem HR Diagramm verschwinden, und nur noch im Infrarot nachweisbar sein wird.
Sein "Abschiedsspektrum" besteht nur noch aus den zwei Fraunhofer H + K Ca II Linien im Blaubereich! Dieses Mag 12.3 Objekt hat nur noch etwas mehr als Erdgrösse und liegt in ca. 14 Lj Entfernung. Dieser reine Kontinuumsstrahler benötigt deshalb mit dem C8/DADOS 200L/mm und Atik 314L+, mindestens 2x30 Minuten Belichtungszeit im 2x2 Binning Mode und -20°C. Selbst dann muss man bezüglich SNR aber noch Kompromisse eingehen. Dies ist aber nicht weiter tragisch, weil hier im Rauschen keine Details verloren gehen. Die zusätzlich vorhandenen, feinen Metalllinien würden wesentlich mehr Auflösung und die Öffnung eines Grossteleskops erfordern. Solche Profi-Instrumente "missbrauchen" diesen Stern häufig als Lieferant für ein linienloses Standardkontinuum. Damit werden dann u.a. die tellurischen Linien im Rotbereich des Spektrums "weggerechnet".
Für mich ein faszinierendes Objekt, trotz des wohl langweiligsten Spektrums, welches ich bisher aufgezeichnet hatte. Wer einmal ausgetretene Pfade verlassen und etwas sehr Spezielles aufzeichnen möchte – das Objekt liegt momentan günstig im Süden.

Beste Grüsse

Richard
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Re: Abschiedsspektrum eines Weissen Zwergen

Beitragvon Dieter Goretzki » 09.12.2013 17:19

Hallo Richard,

zu dem Spektrum habe eine Anmerkung:

Kann es denn möglich sein, dass die H&K-Linien tatsächlich vom WD kommen?

Der WD hat doch praktisch keine Atmosphäre mehr (reiner Kontinuumsstrahler),
und wo sollte denn das Kalzium überhaupt herkommen?
Außerdem sollten die Linien deutlich druckverbreitert sein.

Ich glaube eher, dass es sich dabei um interstellare Linien handelt.

Viele Grüße

Dieter
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Re: Abschiedsspektrum eines Weissen Zwergen

Beitragvon Christian Netzel » 09.12.2013 19:45

Hallo Dieter,
diese Frage hatte ich mir auch gestellt. Aber schau Dir mal diese Veröffentlichung an:

http://articles.adsabs.harvard.edu//full/1972A%26A....16..431B/0000431.000.html

Viele Grüße
Christian
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Re: Abschiedsspektrum eines Weissen Zwergen

Beitragvon Jörg Schirmer » 09.12.2013 20:19

Hallo zusammen,

ich glaube auch, dass Dieter mit seiner Vermutung richtig liegt. Vielleicht hat es ja einen passenden B-Stern in der Nähe, in dessen Spektrum an dieser Stelle kein Calcium auftauchen sollte. In Guide kann ich aber in dem Bereich keinen passenden hellen Stern finden. Vielleicht ist bei den Schwächeren was dabei.
Das Spektrum zeigt auch gleich, dass es ( in Uebereinstimmung mit Profiergebnissen) auf diese "kurze" Entfernung keine vom Amateur nachweisbaren Mengen interstellaren Natriums gibt. Andererseits gibt es in unserer nächsten Nachbarschaft einige auch vom Amateur nachweisbare CaII-Wolken.

Schöne Grüsse,
Jörg!
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Re: Abschiedsspektrum eines Weissen Zwergen

Beitragvon Richard Walker » 09.12.2013 20:44

Hallo zusammen

Besten Dank für Eure Inputs. Dazu kann ich nur bemerken, dass dieses sehr nahe Objekt gut erforscht und entsprechend ausgiebig dokumentiert ist. Das Profil ist zu sehen, (z.T. im log Massstab), z.B. in:

http://arxiv.org/pdf/astro-ph/0204408v1.pdf
http://articles.adsabs.harvard.edu/full/1972A%26A....16..431B
weiter auch ausführlich in Gray/Corbally!

Diese intensiven Ca II Linien werden in allen Publikation, neben wenigen, feinen Metalllinien, als typisches Merkmal dieses Sterns, aber nirgendwo als interstellarer Herkunft bezeichnet. Dass diese Absorptionen hier nicht breiter erscheinen, kann vielleicht damit zusammenhängen, dass die Temperatur nur noch gut 6000 K beträgt, was für WD Sterne sehr gering ist - und mein Profil relativ breitbandig ist. Weiter ist zu bedenken, dass Ca II eine geringe Ionisationsenergie aufweist und deshalb als letzte zu erkennende Linie eines sterbenden Sterns plausibel ist. Auch die Druckverbreiterung der Wasserstofflinien der wesentlich früheren = heisseren DA-Klasse ist sehr stark temperaturabhängig (siehe Gray/Corbally!).

Für eine interstellare Herkunft sind diese CA II Linien jedenfalls um mehrere Grössenordnungen zu intensiv und die Distanz zu diesem Objekt mit 14 Lj - relativ gesehen - viel zu kurz. Um es etwas scherzhaft auszudrücken: Die Wahrscheinlichkeit, dass ausgerechnet hier - auf unserem Sehstrahl zum nahen Van Maanen 2 - ein Lastenraumschiff massiv Zement verloren haben soll, erachte ich als eher gering. Weiter fehlen auch die ebenfalls interstellaren Na I Linien völlig. Infos zu van Maanen 2 sind auch in der CDS Datenbank zu finden.

Beste Grüsse

Richard
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Re: Abschiedsspektrum eines Weissen Zwergen

Beitragvon Richard Walker » 10.12.2013 11:13

Ergänzung zu meiner Antwort:

Dass hier "ausgerechnet" Ca II so prominent erscheint kann hier in Analogie zum Sonnenspektrum gesehen werden. Bei vergleichbarer Temperatur, wenn auch völlig anderen Druckverhältnissen, sind auch dort die Fraunhofer Ca II Linien mit Abstand die intensivsten. Aus quantenmechanischen Gründen ist Ca II im Bereich solarer Photosphärentemperaturen um 5800 K, ein äusserst effektiver Absorber, obwohl die Ca Häufigkeit dort <1% ausmacht. Der Wasserstoff hingegen muss dort innerhalb der zahlreichen Metallinien richtiggehend gesucht werden.

Beiliegend noch ein Diagramm mit DZ Sternen (aus Gray Corbally - van Maanen Star ist nicht dabei). Tröstlich zu sehen, dass auch professionelle Spektren mit dem SNR zu kämpfen haben! Zum Vergleich noch ein Ausschnitt aus meinem Profil mit ähnlichem Wellenlängenbereich - ca. 3850 - 4600.

Mit besten Grüssen

Richard
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van maanen 3900 - 4600 Profil Walker.jpg
Van Maanen 2 Profil Walker
Gray Corbally DZ Class.jpg
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Re: Abschiedsspektrum eines Weissen Zwergen

Beitragvon Richard Walker » 29.12.2013 18:47

Hier noch das Spektrum von 40 Eridani B, der einzige Weissen Zwerg welcher ohne Hilfsmittel mit kleinen Instrumenten visuell beobachtet werden kann (als Mitglied des Dreifachsystems 40 Eri). Die Nähe der C-Komponente gestaltet die Aufzeichnung etwas "tricky", gelingt aber, wenn B in der unteren Ecke des 50 mü Spaltes platziert und so von C separiert wird. Die Begleiter von Sirius und Prokyon sind noch etwas hellere Weisse Zwerge, werden aber von ihrem "Hauptstern" massiv überstrahlt. 40 Eri B ist mit Teff 16700 K wesentlich heisser als van Maanen 2. Deshalb sind hier keine Kalzium sondern stark verbreiterte Wasserstofflinien der Balmerserie zu sehen.

Beste Grüsse

Richard
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Spektrum 40 Eridani B.jpg
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