Hallo zusammen
Inzwischen habe ich ein zweites Spektrum der SN 2014J aufgezeichnet und auch einige Literaturrecherchen zum Thema durchgeführt. Die für mich wohl bemerkenswerteste Publikation stammt von von Daniel R. van Rossum, University of Chicago 2012:
The Nature of the Si II 6150Å, Ca II HK, CA II IR-Triplet, and other Spectral Features in Supernova Type Ia Spectra
http://arxiv.org/pdf/1208.3781.pdfMit Farbdiagrammen, basierend auf Modellrechnungen, wird klar dargestellt, durch welch komplexe Blends dieses Profil gebildet wird. Sowohl die Unterscheidung zwischen Absorptionen und Emissionen, als auch die Bestimmung des Kontinuumverlaufs sind bei Spektren solcher Ereignisse alles andere als trivial. Deshalb wird hier, ausnahmsweise mal unabhängig von der weiteren Verwendung des Spektrums, die relative Fluxkalibrierung mit Standardstern zur Pflicht. Entsprechend wird auch anstelle von "Absorptionen" konsequenterweise von "Trögen" (engl. troughs) gesprochen und z.B. deren Äquivalentbreiten EW mit "Pseudo EW" [pEW] bezeichnet. Die angegebenen Ionen sind jeweils nur die nachgewiesenen (und zum Teil auch bloss vermuteten) Hauptverursacher solcher "Strukturen". Weiteres Zitat (sinngemäss): "Scheinbare Absorptionen sind oft nur zufällige Lücken zwischen zwei Emissionen".
Eine Si II 6150Å Absorption wird man in den einschlägigen Datenbanken, (z.B. Vspec) vergeblich suchen. Hier wird klar, dass infolge der exorbitanten Expansionsgeschwindigkeit, die Si II 6347 / 71Å "Linie" so stark blauverschoben erscheint. Der Shift-Betrag von ca. 200 Å ergibt eine Radialgeschwindigkeit von cz ~ – 9800 km/s. Einen vergleichbaren Wert ergibt auch der Dopplerwert mit dem FWHM des Si II-Troges bei 6150 Å. A. Filippenko nennt dies die "Si II - Geschwindigkeit".
SN2014J scheint den typischen Verlauf zu nehmen, wie man es von diesen kosmologisch so bedeutsamen "Standardkerzen" erwartet. Sie scheint, mindestens momentan, auch nicht einer der noch nicht verstandenen Ausreisser zu werden. A. Filippenko nennt die späte Entdeckung von SN 2014j als "bedauernswert (lamentable)", vielleicht wollte er auch "beschämend" sagen, war sie doch nachträglich auf zahlreichen Aufnahmen diverser Überwachungssysteme zu sehen und offenbar fälschlicherweise immer als Vordergrundstern oder Artefakt interpretiert worden – viel Arbeit also für die Programmierer... Immerhin konnte aber mit solchen Aufnahmen der Explosionszeitpunkt auf wenige Stunden genau eingegrenzt werden:
Estimating The First-Light Time of the Type IA Supernova 2014J in M82
http://arxiv.org/pdf/1401.7968.pdfErste Abbildung:
In meinem ersten Spektrum, 17 Tage pe (post explosion) ist das übliche Typ Ia .Spektrum (rotes Profil) mit der Silizium Senke ("Silicon Valley") bei 6150 Å und den sinnigerweise auch "W-Absorption" genannten, beiden Schwefelsenken S II bei 5400 Å zu sehen. Im zweiten Spektrum 37 pe setzen sich jetzt, nach der "Photosphärenphase" offenbar erwartungsgemäss, mehrere Fe II-Emissionen durch und verdrängen z.B. die S II- "W-Absorption" bei 5400 Å.
Die imposante Na I-Absorption tritt in SN Ia Spektren nicht zwangsläufig auf. Hier wird sie von mehreren Publikationen übereinstimmend interpretiert, d.h. verursacht durch die interstellare Materie ISM, vor allem innerhalb der Host Galaxie M82. Diese irreguläre Kollisions-Galaxie enthält entsprechend viel Staub und Gase was auch zu intensiver Sternentstehung führt (Starburst Galaxie). Dies führt auch zu einer vergleichsweise eher unüblich starken Rötung, erkennbar am "Kontinuumsverlauf", welcher leicht in "roter" Richtung ansteigt. Völlig "entrötete" Modellspektren zeigen jedoch den Peak im nahen UV. Dieses Beispiel zeigt auch drastisch, dass wir mit der Fluxkorrektur mittels Standardstern lediglich die atmosphärischen und instrumentellen Einflüsse wegkorrigieren können, aber so noch keineswegs das "Originalspektrum" rekonstruieren, welches immer noch durch die ISM gerötet bleibt.
Zweite Abbildung:
Hier habe ich noch die Host Galaxie M82 in kleinem Abstand zu SN 2014J für den Atlas aufgenommen (C8/DADOS Gitter 200L/mm/Atik 314L+ 1x1800 Sekunden 2x2 Binning). Starburst Galaxien zeigen normalerweise nur Emissionslinien, vor allem der H-Balmerserie und S II. Die verbotenen [OIII] Linien treten erst bei Seyfert Galaxien mit namhafter Intensität in Erscheinung. Beim zukünftigen Abflauen der SN2014j wird in deren Endphasen-Spektrum die H alfa Emission der Galaxie noch überlagert in Erscheinung treten.
Dritte Abbildung:
Screenshot von SN 2014j auf dem DADOS Spaltspiegel /PHD Guiding Aufnahme mit der hier maximal möglichen Belichtungszeit von 10 Sekunden. Die Host Galaxie M82 ist sehr schwach noch zu erkennen.
Beste Grüsse
Richard