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SN in M82

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Moderator: mkeiser

SN in M82

Beitragvon Martin Dubs » 24.01.2014 00:38

Hallo Kollegen,

zur Zeit ist wieder iine Supernova sichtbar, mit Magntude 11liegt sie noch im Bereich der Amateurspektroskopie (für die ambitionierteren Kollegen). Sie wurde übrigens von Amateuren entdeckt, bei ersten Tests mit einer neuen CCD.
http://www.ucl.ac.uk/maps-faculty/maps-news-publication/maps1405
SN M82.jpg
aus obigem Report
SN M82.jpg (Array KiB) 9373-mal betrachtet

Weitere Details bei spectro-l.
https://groups.yahoo.com/neo/groups/spectro-l/conversations/topics/15425
Wenn das Wetter wieder mitspielt, wäre das vielleicht etwas.

Gruss, Martin
Martin Dubs
 
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Re: SN in M82

Beitragvon Richard Walker » 02.02.2014 00:01

Hallo zusammen

Am letzten Januar Abend habe ich mit Martin Huwiler endlich die Spektroskopie Demo auf der vielen von Euch bekannten Hubelmatt Sternwarte in Luzern durchführen können. Dieser Anlass musste letztes Jahr wegen notorischen Schlechtwetters x-mal verschoben werden. Gestern klappte es nun endlich. Neben dem Anfänger-Klassiker Sirius mit seinem eindrücklichen und übersichtlichen Spektrum sowie anderen geeigneten Objekten wurde die Aufzeichnung der SN 2014j in der "nur" ca. 12 Mio Lj entfernten M 82 Galaxie, zum Höhepunkt des Abends. Sie erfolgte am 40 cm MFT Cassegrain mit 5550mm Brennweite, DADOS mit 200L/mm Gitter und der Atik 314L+. Belichtungsaufwand 2x900s im 2x2 Binning Mode. Sofort zu erkennen ist, dass es sich um eine SN des Typs Ia handelt, weil die beim SN Typ II sonst prominenten Balmerlinien völlig fehlen und die Si II Absorption bei ca. 6150 sehr prominent erscheint. Als Ausschnitt noch eine Montage von mehreren SN Ia Spektren aus einem Paper von A. Filippenko, welche zur Linienidentifikation beigezogen worden ist.

http://arxiv.org/pdf/1401.7968.pdf
http://arxiv.org/pdf/1208.3781v1.pdf
http://www.astro.rug.nl/~onderwys/ACTUEELONDERZOEK/JAAR2001/rico/spectra.html
http://www.astrouw.edu.pl/~nalezyty/semistud/Artykuly/annurev.astro.35.1.309_ss.pdf
http://arxiv.org/abs/astro-ph/0307138

Beste Grüsse

Richard
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Spektrum SN 2014 Hubelmatt.jpg
IMG_2143.JPG
IMG_2142.JPG
IMG_2145.JPG
A Phillipenko Optical Spectra of Supernovae.JPG
Richard Walker
 
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Re: SN in M82

Beitragvon Richard Walker » 25.02.2014 17:38

Hallo zusammen
Inzwischen habe ich ein zweites Spektrum der SN 2014J aufgezeichnet und auch einige Literaturrecherchen zum Thema durchgeführt. Die für mich wohl bemerkenswerteste Publikation stammt von von Daniel R. van Rossum, University of Chicago 2012:

The Nature of the Si II 6150Å, Ca II HK, CA II IR-Triplet, and other Spectral Features in Supernova Type Ia Spectra
http://arxiv.org/pdf/1208.3781.pdf

Mit Farbdiagrammen, basierend auf Modellrechnungen, wird klar dargestellt, durch welch komplexe Blends dieses Profil gebildet wird. Sowohl die Unterscheidung zwischen Absorptionen und Emissionen, als auch die Bestimmung des Kontinuumverlaufs sind bei Spektren solcher Ereignisse alles andere als trivial. Deshalb wird hier, ausnahmsweise mal unabhängig von der weiteren Verwendung des Spektrums, die relative Fluxkalibrierung mit Standardstern zur Pflicht. Entsprechend wird auch anstelle von "Absorptionen" konsequenterweise von "Trögen" (engl. troughs) gesprochen und z.B. deren Äquivalentbreiten EW mit "Pseudo EW" [pEW] bezeichnet. Die angegebenen Ionen sind jeweils nur die nachgewiesenen (und zum Teil auch bloss vermuteten) Hauptverursacher solcher "Strukturen". Weiteres Zitat (sinngemäss): "Scheinbare Absorptionen sind oft nur zufällige Lücken zwischen zwei Emissionen".

Eine Si II 6150Å Absorption wird man in den einschlägigen Datenbanken, (z.B. Vspec) vergeblich suchen. Hier wird klar, dass infolge der exorbitanten Expansionsgeschwindigkeit, die Si II 6347 / 71Å "Linie" so stark blauverschoben erscheint. Der Shift-Betrag von ca. 200 Å ergibt eine Radialgeschwindigkeit von cz ~ – 9800 km/s. Einen vergleichbaren Wert ergibt auch der Dopplerwert mit dem FWHM des Si II-Troges bei 6150 Å. A. Filippenko nennt dies die "Si II - Geschwindigkeit".

SN2014J scheint den typischen Verlauf zu nehmen, wie man es von diesen kosmologisch so bedeutsamen "Standardkerzen" erwartet. Sie scheint, mindestens momentan, auch nicht einer der noch nicht verstandenen Ausreisser zu werden. A. Filippenko nennt die späte Entdeckung von SN 2014j als "bedauernswert (lamentable)", vielleicht wollte er auch "beschämend" sagen, war sie doch nachträglich auf zahlreichen Aufnahmen diverser Überwachungssysteme zu sehen und offenbar fälschlicherweise immer als Vordergrundstern oder Artefakt interpretiert worden – viel Arbeit also für die Programmierer... Immerhin konnte aber mit solchen Aufnahmen der Explosionszeitpunkt auf wenige Stunden genau eingegrenzt werden:

Estimating The First-Light Time of the Type IA Supernova 2014J in M82
http://arxiv.org/pdf/1401.7968.pdf

Erste Abbildung:
In meinem ersten Spektrum, 17 Tage pe (post explosion) ist das übliche Typ Ia .Spektrum (rotes Profil) mit der Silizium Senke ("Silicon Valley") bei 6150 Å und den sinnigerweise auch "W-Absorption" genannten, beiden Schwefelsenken S II bei 5400 Å zu sehen. Im zweiten Spektrum 37 pe setzen sich jetzt, nach der "Photosphärenphase" offenbar erwartungsgemäss, mehrere Fe II-Emissionen durch und verdrängen z.B. die S II- "W-Absorption" bei 5400 Å.

Die imposante Na I-Absorption tritt in SN Ia Spektren nicht zwangsläufig auf. Hier wird sie von mehreren Publikationen übereinstimmend interpretiert, d.h. verursacht durch die interstellare Materie ISM, vor allem innerhalb der Host Galaxie M82. Diese irreguläre Kollisions-Galaxie enthält entsprechend viel Staub und Gase was auch zu intensiver Sternentstehung führt (Starburst Galaxie). Dies führt auch zu einer vergleichsweise eher unüblich starken Rötung, erkennbar am "Kontinuumsverlauf", welcher leicht in "roter" Richtung ansteigt. Völlig "entrötete" Modellspektren zeigen jedoch den Peak im nahen UV. Dieses Beispiel zeigt auch drastisch, dass wir mit der Fluxkorrektur mittels Standardstern lediglich die atmosphärischen und instrumentellen Einflüsse wegkorrigieren können, aber so noch keineswegs das "Originalspektrum" rekonstruieren, welches immer noch durch die ISM gerötet bleibt.

Zweite Abbildung:
Hier habe ich noch die Host Galaxie M82 in kleinem Abstand zu SN 2014J für den Atlas aufgenommen (C8/DADOS Gitter 200L/mm/Atik 314L+ 1x1800 Sekunden 2x2 Binning). Starburst Galaxien zeigen normalerweise nur Emissionslinien, vor allem der H-Balmerserie und S II. Die verbotenen [OIII] Linien treten erst bei Seyfert Galaxien mit namhafter Intensität in Erscheinung. Beim zukünftigen Abflauen der SN2014j wird in deren Endphasen-Spektrum die H alfa Emission der Galaxie noch überlagert in Erscheinung treten.

Dritte Abbildung:
Screenshot von SN 2014j auf dem DADOS Spaltspiegel /PHD Guiding Aufnahme mit der hier maximal möglichen Belichtungszeit von 10 Sekunden. Die Host Galaxie M82 ist sehr schwach noch zu erkennen.

Beste Grüsse

Richard
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SN 2014j.jpg
Abbildung 1 SN 2014
Host Galaxie M82.jpg
Abbildung 2 Host Galaxie M82
screenshot sn2014j.jpg
Abbildung 3 Screenshot PHD Guiding
screenshot sn2014j.jpg (Array KiB) 9073-mal betrachtet
Richard Walker
 
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Re: SN in M82

Beitragvon TorstenHansen » 08.03.2014 15:20

Hallo Richard,

Richard Walker hat geschrieben:...
... und auch einige Literaturrecherchen zum Thema durchgeführt. Die für mich wohl bemerkenswerteste Publikation stammt von von Daniel R. van Rossum, University of Chicago 2012:

The Nature of the Si II 6150Å, Ca II HK, CA II IR-Triplet, and other Spectral Features in Supernova Type Ia Spectra
http://arxiv.org/pdf/1208.3781.pdf

...

Das sind wieder ganz hervorragende Ergebnisse!

Ganz herzlichen Dank auch für die ausgezeichnete Recherche!
Die van-Rossum-Arbeit finde ich sehr spannend und habe meine eigenen Staranalyser-Spektren mal daraufhin untersucht und entsprechend präsentiert (siehe Bild).

Original: http://www.aau.telebus.de/Ver_7/user/Torsten_Hansen/SN2014J20140221/SN2014J4malmitTextw.jpg


Bild



Viele Grüße,
Torsten
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Re: SN in M82

Beitragvon Richard Walker » 09.03.2014 11:08

Hallo Thorsten

Besten Dank, dass Du hier Deine interessanten Ergebnisse zeigst! Eindrücklich sind auch Deine fotografischen Aufnahmen dieses Ereignisses. Für mich ist es wertvoll zu sehen, dass unsere Profile nach der relativen Fluxkorrektur im vergleichbaren Rahmen, d.h. leicht in langwelliger Richtung ansteigen und somit, wie auch in der Literatur so berichtet, gegenüber dem modellmässigen Profilverlauf stark gerötet erscheinen. Offenbar haben wir bei der Normierung auf das Kontinuum (vergleiche hier mit meinem ersten Post) auch den sehr diffusen Verlauf des Kontinuums ähnlich interpretiert. Als einziger nennenswerter Unterschied erscheint in Deinen Profilen die bei dieser SN so aussergewöhnlich intensive, wenn auch sehr schlanke, Na I Absorption nicht aufgelöst. A. Filippenko taxiert diese Linie sogar als gesättigt! Hier sieht man offenbar den Auflösungsunterschied zwischen einem Transmissionsgitter und einem Spaltspektrografen. Die Linienzahl der Gitter dürfte ja vergleichbar sein (DADOS 200L/mm). Diese Absorption scheint offenbar ein wichtiger Forschungsgegenstand zu werden, erlaubt sie doch entscheidende Rückschlüsse auf die enormen Staubmengen innerhalb dieser chaotisch strukturierten, irregulären (irr) Galaxie M82.

Ich habe mich selber immer wieder dabei ertappt, wie bei der Beschäftigung mit diesem Ereignis in meinem Unterbewusstsein der scheinbare und wirkliche Explosionszeitpunkt zu verschmelzen drohten. Es ist ja auch kaum real fassbar, dass diese Explosion, welche fast halbtäglich messbare Profiländerungen produziert, eigentlich vor 12 Millionen Jahren stattgefunden hat, wo z.B. durch die nach Norden driftende, afrikanische Kontinentalplatte die letzten Voralpenketten aus dem Molassebecken des Schweizer Mittellandes emporgepresst wurden (z.B. Rigi).

Mit bestem Dank und Grüssen

Richard
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Re: SN in M82

Beitragvon Richard Walker » 11.03.2014 13:34

Hallo zusammen

Für die neue Atlasausgabe habe ich noch ein spektrales Bestimmungsschema für die verschiedenen SN Typen zusammengeschustert. Vorlage war Gray Gorbally und weitere Quellen. Ich habe jedoch versucht noch zusätzliche Infos, z.B. den betroffene Sternmassenbereich und die Typen der unmittelbaren Vorläufersterne der SN, einzubauen. Das Fehlen der Wasserstoff Linien lässt sich bei den WR Sternen und Weissen Zwergen leicht erklären, weil sich der Stern ja vor der SN der entsprechenden Schichten entledigt hat (WR Nebel/Planetarischer Nebel).
Hoffen wir, dass es bald mal wieder irgendwo im Kosmos, und für uns auch erreichbar, "knallt". Am besten gleich in unserer Milchstrasse - dies wäre ja definitiv überfällig. Seit der Renaissance ist da (abgesehen von der Magellanschen Wolke) ja nichts mehr zählbares geschehen.

Beste Grüsse

Richard
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Bild1.jpg
Spektrales Bestimmungsschema Supernova Typ
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Re: SN in M82

Beitragvon TorstenHansen » 12.03.2014 18:45

Hallo Richard,

Richard Walker hat geschrieben:...
Für mich ist es wertvoll zu sehen, dass unsere Profile nach der relativen Fluxkorrektur im vergleichbaren Rahmen, d.h. leicht in langwelliger Richtung ansteigen und somit, wie auch in der Literatur so berichtet, gegenüber dem modellmässigen Profilverlauf stark gerötet erscheinen. Offenbar haben wir bei der Normierung auf das Kontinuum (vergleiche hier mit meinem ersten Post) auch den sehr diffusen Verlauf des Kontinuums ähnlich interpretiert.
...

Dein Hinweis "im vergleichbaren Rahmen" hat mich noch einmal dazu bewogen, die Flusskorrektur beim Spektrum vom 31.01.14 zu überprüfen. Dabei ist dann das im Bild unten zu sehende Spektrum herausgekommen.
Anscheinend habe ich bei der Flusskalibrierung in vspec das falsche Referenzspektrum erwischt. Ich meine, dass mein flusskalibriertes Sepktrum nun wirklich recht gut zu Deinem Spaltspektrum (und auch denen aus der ARAS-Datenbank) passt.
Ich muss jetzt nochmal ran und die fehlerhaften Graphen oben im Bild austauschen ...


Bild


Originalgröße: http://www.aau.telebus.de/Ver_7/user/Torsten_Hansen/SN2014J20140131/SN2014J20140131korr.jpg


Viele Grüße,
Torsten
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Re: SN in M82

Beitragvon Richard Walker » 14.03.2014 11:55

Hallo Thorsten

Mit "vergleichbarem Rahmen" meinte ich lediglich, dass unsere Profile, grob betrachtet, sehr ähnlich aussehen und sowohl Dein altes als auch Dein jetzt korrigiertes bestätigen, dass hier eine starke interstellare Rötung vorliegt. Dieses Korrekturverfahren bleibt sowieso eine sehr grobe Näherung, in besonderen Masse noch für die hier dominierenden, Kontinuums- unabhängigen "Emissionsgebirge". Sie ist hier aber trotzdem sinnvoll, weil diesbezüglich ja vor allem der (wenn auch nur diffus sichtbare) Kontinuums-Verlauf interessiert. Eine wirkliche Korrektur der Emissions-EW Werte über das theoretische Balmerdekrement (z.B. nach Gurzadyan) entfällt hier sowieso, weil schlicht und ergreifend keine H-Linien zu sehen sind und in diesem chaotischen Profilen auch kaum seriös zwischen Absorptionen und Emissionen unterschieden werden kann.

Mit besten Grüssen

Richard
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