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Radialgeschwindigkeit

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Moderator: mkeiser

Radialgeschwindigkeit

Beitragvon mkeiser » 04.07.2016 19:56

Hallo zusammen

Weiss jemand von Euch nach welchem Koordinatensystem die Sternpositionen Ra, De angegeben sind?
Ist das geozentrisch äquatorial oder heliozentrisch äquatorial?
Weder in der SIMBAD Datenbank noch in Sternenkatalogen habe ich Hinweise gefunden. Ich nehme an
das ist genormt.

Ich möchte gerne die Reduktion der Radialgeschwindigkeit auf die Sonne nachrechnen um vergleichbare
Werte zu erhalten.

Gruss

Michael Keiser
mkeiser
 
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Re: Radialgeschwindigkeit

Beitragvon Martin Dubs » 05.07.2016 11:25

Hallo Michael,
in den Sternkatalogen sind astrometrische Koordinaten angegeben. Diese beziehen sich auf ein Koordinatensystem mit Frühlingspunkt für das Jahr 2000.0, bezogen auf den Sonnenmittelpunkt (resp. Schwerpunkt des Sonnensystems) (Aequinoktium, wegen der Präzession wandert der Frühlingspunkt). Alte Kataloge verwenden zum Teil noch Eq 1950. Für genaue Berechnungen muss die Eigenbewegung berücksichtigt werden. Die Kataloge geben die Positionen zur Epoche 2000.0 an. Für aktuelle astrometrische Koordinaten (Epoche des Datums) muss die Eigenbewegung addiert werden. Für die Beobachtung, z.B. zur Steuerung des Teleskops, sind die scheinbaren Koordinaten massgebend. Diese werden durch die Bewegung der Erdachse beeinflusst. Wichtigster Effekt ist die Präzession. Dazu müssen die koordinaten von Aequinoktium 2000.0 auf das Aequinoktium des Datums umgerechnet werden. Das ergibt die mittleren Koordinaten des Datums. Die scheinbaren Koordinaten erhält man durch Berücksichtigung von Parallaxe, Aberration und Nutation. In der Planetariumssoftware sind meistens die astrometrischen und scheinbaren Koordinaten angegeben (z.B. Carte de Ciel, TheSky etc.).Meistens kann in den Einstellungen die gewünschte Koordinatenart ausgewählt werden.
Für Deine Berechnungen musst Du Dich auf ein Koordinatensystem festlegen (typischerweise astrometrisch, Eq. 2000) und die Erdbwegung im gleichen System beschreiben.
Details findest Du hier:
Supplement to the Nautical Almanac (Standardreferenz, aber nicht leicht lesbar)
Jean Meeus: Astronomical Algorithms
Jean Meeus: Astronomicl Formulae for Calculators
Pfleger, Montenbruck, verschiedene Werke
Einfacher geht die Berechnung der heliozentrischen Korrektur der Radialgeschwindigkeiten mit ISIS:
-Misc - Heliocentric velocity
Nach Eingabe des Sternnamens sucht das Programm die Koordinaten in SIMBAD. Dann brauchst Du nur noch den genauen Zeitpunkt und Deine geographischen Koordinaten (in Settings) einzugeben und erhältst die gewünschte Korrektur mit allen notwendigen Details (Berücksichtigung der Lichtlaufzeit, Erddrehung etc.). Genauigkeit sollte einige m/sec betragen.

Gruss,

Martin
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Re: Radialgeschwindigkeit

Beitragvon mkeiser » 05.07.2016 20:55

Hallo Martin

Vielen Dank für Deine ausführlichen Infos. Du hast einige Punkte erwähnt über die ich nachdenken kann.
Übrigens ich arbeite mit dem Buch Ephemeridenrechnung von O.Montenbruck und dem Handbuch der Astrophysik von u.a. G.Eberhard.
Ich habe es mit ISIS geschafft. Bei General gibt es auch noch heliocentric radial velocity correction. Wenn man das dann nochmals durchrechnet ergibt das nochmals eine leichte Abweichung zur Berechnung über das Menü Misc. . Da muss ich mich noch näher mit befassen.
Zur eigentlichen Frage: Ich kann aus deinen Ausführungen entnehmen, dass das Bezugssystem ab Eq. 2000 das Heliozentrische ist. Was ich noch nicht verstehe ist, warum man die Variablen RA und DE benutzt. Gem. meinem Buch Ephemeridenrechnung verwendet man für das heliozentrisch ekliptikale Koordinatensystem b für ekliptikale Breite und l für ekliptikale Länge. Oder habe ich etwas nicht begriffen?

Gruss

Michael
mkeiser
 
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Re: Radialgeschwindigkeit

Beitragvon Martin Dubs » 06.07.2016 20:47

Hallo Michael,

Du hast natürlich recht, für die Ephemeridenrechnung ist es einfacher, im ekliptikalen Koordinatensystem zu rechnen. Speziell für die Erde resp. Sonne ergeben sich dann einfache Gleichungen. Auch für die übrigen Planeten werden die Berechnungen einfacher, wegen der geringen Bahnneigungen. Aber irgendwann musst Du auf die beobachtbaren Koordinaten übergehen, deshalb die Transformation von l und b zu RA und DEC. Dabei ist insbesondere darauf zu achten, dass für beide Koordinatensysteme das gleiche Aequinoktium (in der Regel 2000.0) verwendet wird. Für die Berechnungen der Radialgeschwindigkeit ist es von Vorteil, kartesische Koordinaten zu verwenden, dabei können diese mit den ekliptikalen oder aequatorialen Koordinaten ausgerichtet sein. Die Umwandlung entspricht einer Drehung um die x-Achse, welche auf den Frühlingspunkt ausgerichtet ist.
Die Ableitungen der kartesischen Koordinaten lassen sich einfacher berechnen als die der Winkelkoordinaten. Das wird auch bei Montenbruck und Pfleger so gemacht, ebenso bei direkter Integration der Bahngleichungen mit dem Computer (siehe z.B. hier: http://www.solexorb.it/SolexOld/).

Gruss, Martin
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Re: Radialgeschwindigkeit

Beitragvon mkeiser » 07.07.2016 10:06

Hallo Hugo

Besten Dank. So ganz habe ich es noch nicht kapiert wo die Referenz der Sternenbezogenen Katalogdaten ist. Vielleich können wir das beim nächsten Treffen der Spektrogruppe grafisch miteinander anschauen.

Gruss

Michael
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